Interview mit Andrés, IT-Service-Management Consultant bei JAEMACOM

Andrés, seit wie vielen Jahren bist du als IT-Administrator tätig und in welchen Prozessen unterstützt du die IT?

Ich bin seit über 6 Jahre als IT-Administrator in Berlin tätig und habe unter anderem die gesamte IT von der Pike auf mit aufgebaut. Zu meinen Aufgaben zählten Einkauf, Verwaltung, Wartung und Support sämtlicher Hard-und Software im Haus. Aus ITIL-Sicht waren also das Incident-, Problem-, Change-, Asset- und License-Management für mich relevant.

Zurückblickend auf deine Praxiserfahrung, wie würdest du IT-Service-Management (ITSM) beschreiben und wie schätzt du die Notwendigkeit hierfür ein?

IT-Service-Management bedeutet für mich, den IT-Anforderungen des Unternehmens und der Mitarbeiter gerecht zu werden. Jedes Unternehmen betreibt also ITSM auf seine Weise.
Die Frage sollte also heißen, wie wichtig oder notwendig ist ein professionelles (ITIL-konformes) ITSM. Diese lässt sich nicht pauschal beantworten. Für Startups und kleinere Unternehmen im Allgemeinen kann ein ITSM-Tool anfangs sehr befremdlich wirken. Ich habe diese Erfahrung bei der Einführung von OTRS als Ticket-System gemacht. Aus Sicht eines Mitarbeiters hatte man doch bis gestern noch ein angenehmes persönliches Verhältnis zu seinen IT-Leuten und heute soll man plötzlich Tickets und Requests schriftlich per eMail oder über das Service-Portal absenden und bekommt automatisierte Antworten.

Meiner Einschätzung nach kann man die Notwendigkeit eines professionellen ITSM bejahen, sobald man als IT-Mitarbeiter nicht mehr jedem Namen ein Gesicht oder eine Persönlichkeit zuordnen kann. Dann nämlich denkt man von alleine über die automatische Bearbeitung von Standard-Requests nach und damit über die Vereinheitlichung von IT-Services, Vereinfachung der Abwicklung und Automatisierung.

Bevor ein Unternehmen nicht eine bestimmte Größe erreicht hat (bzw. ein entsprechendes Volumen an Service-Requests), kann ein ITSM-Tool auch Arbeit produzieren, anstatt diese zu vereinfachen. Außerdem muss der eingesparte Aufwand messbar sein und die Anschaffungskosten rechtfertigen.

Welche Module eines IT-Service-Management-Tools werden am meisten nachgefragt?

Service-Request-Management ist wohl das, woran die meisten Unternehmen zuerst denken, also ein Ticket-System für jede Arte von IT-relevanten Anfragen. Dies kann sich je nach Kunde unterteilen in Incident-, Problem- und Change-Management. Außerdem zählt Asset-Management definitiv noch zu den wichtigsten, da jedes Unternehmen hier den Überblick behalten möchte/muss. Oft sind hier bereits eigenständige Tools im Einsatz.

Und wie helfen diese Module der IT-Abteilung und den operativen Abteilungen bei der Arbeit?

Jedes Modul an sich kann schon eine sehr große Hilfe sein. Ein Ticket-System hilft dem Service-Desk bspw. bei der Planung der täglichen Arbeit durch die Sortierung der Service-Requests in Kategorien und deren Einstufung nach Priorität, Dringlichkeit und Auswirkung. So behält ein Service-Desk-Agent immer den Überblick über seine Aufgaben und deren SLA’s.

Der überragende Nutzen eines ITSM-Tools ist allerdings die Modul-übergreifende Verfügbarkeit von Daten – die Möglichkeit, sich ein Asset eines Mitarbeiters (Asset-Management) aus einem gerade eröffneten Incident (Incident-Management) dieses Mitarbeiters heraus anzuschauen, zu dessen Lösung vom Service-Desk Agent ein Change angestoßen wird (Change-Management) – alles aus einer Oberfläche heraus und innerhalb von Sekunden.

Im letzten Schritt schaffen die marktführenden ITSM Tools weitere beindruckende Möglichkeiten durch Künstliche Intelligenz, Machine Learning und Automatisierung. Ein Service-Agent erhält bspw. Lösungsvorschläge zu bestimmten Problemen oder Requests, die per Knopfdruck vollautomatisch angewandt werden.

Ab wann kann man von User-Self-Service sprechen?

Von User-Self-Service sprechen wir, wenn ein Nutzer ohne Zutun des Supports ein Problem lösen, bzw. einen angebotenen Service in Anspruch nehmen kann. Meist versteht man darunter, die „Buchung“ eines Service aus dem Servicekatalog, inklusive dessen weitgehend automatisierter Abwicklung aus einem Service-Portal heraus. Ein Populäres Beispiel ist der Password-Reset, den ein Nutzer mittels vorher definierter Multi-Faktor-Authentifizierung selbst bewerkstelligen kann.

Aber auch eine durchsuchbare Datenbank von Lösungs-Dokumentationen zu häufig auftretenden Problemen/Anfragen (z.B. Drucker-Kartusche austauschen) kann man bereits als User-Self-Service bezeichnen.

Welches Potential siehst du für Unternehmen, wenn sie ITSM einführen?

Die Einführung eines ITSM Tools ist im Prinzip für jedes Unternehmen ein großer Mehrwert. Je nach eingesetzter Software und dem angestrebten Grad des Customizing ist der initiale Installations- und Konfigurationsaufwand möglicherweise sehr hoch, doch die rollenweise zugeschnittene Anpassung der Arbeitsoberflächen kann sämtliche IT-Aufgaben massiv vereinfachen.

Bei der Einführung muss sich der Kunde dann auch stärker als vorher Gedanken zu den internen Arbeitsabläufen machen. Meist soll nämlich nicht der IST-Zustand der IT-Prozesse abgebildet werden, sondern Best Practice. Dabei ist es wichtig funktionierende Prozesse einzubinden und die Einführung progressiv in überschaubaren Schritten durchzuführen. Aus diesem Grund ist bei vielen Kunden die Prozess-Beratung fester Bestandteil des ITSM-Consultings.

Vielen Dank Andrés!